Harndrangsymptomatik / Harndranginkontinenz

Ein lästiges Problem – aber Hilfe ist möglich!

Prof. Dr. med. Daniela Schultz-Lampel
Direktorin der Klinik
Fachärztin für Urologie

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Die Harndrangsymptomatik mit oder ohne Urinverlust kann in jedem Alter auftreten. Oft findet sich eine auslösende Ursache wie ein Harnwegsinfekt oder – bei Männern – eine Prostatavergrößerung. Genauso oft ist aber auch keine Ursache erkennbar. Besonders häufig tritt diese Inkontinenzform im Alter auf, als Folge einer zunehmenden Degeneration der die Blase kontrollierenden Nervenbahnen. Nicht selten liegen auch neurogene Grunderkrankungen wie Multiple Sklerose, Parkinson, Demenz oder ein Schlaganfall vor. Bei älteren Menschen kann die Dranginkontinenz Hinweis auf einen Harnwegsinfekt sein, da typische Symptome wie Brennen beim Wasserlassen meist fehlen.

Krankheitsbild

Harndranginkontinenz bedeutet Urinverlust, der durch einen nicht unterdrückbaren Harndrang ausgelöst wird. In der Regel „müssen“ die Betroffenen so plötzlich und so zwingend, dass sie nicht mehr rechtzeitig die Toilette erreichen. Das Problem kann aber auch ohne Inkontinenz auftreten – die Betroffenen suchen sehr häufig, tags und auch nachts, die Toilette auf. Auch diese Symptomatik der „überaktiven Blase“ kann die Lebensqualität stark einschränken. Zu unterscheiden ist bei der Harndrangsymptomatik  zwischen einer primären Form mit unbekannter Ursache und einer sekundären Form mit bekannter Ursache. Diese Differenzierung spielt für die spätere Therapie eine wichtige Rolle.

Diagnose und Therapie

Für die Diagnose ist erst einmal eine genaue Erhebung der Krankengeschichte wichtig. Als weitere erste Maßnahme werden die Betroffenen gebeten, eine Zeitlang ein Trink- und Miktionsprotokolls zu führen – dabei notieren sie, wann und wie viel sie im Lauf des Tages trinken und wann sie die Toilette aufsuchen müssen.

Als genauere diagnostische Verfahren schließen sich eine Ganzkörperuntersuchung, Urinuntersuchung und Ultraschalldiagnostik mit Perinealsonographie an. Wichtig ist festzustellen, ob ein Harnwegsinfekt oder eine Restharnbildung vorliegen. In den meisten Fällen kann schon nach diesen ersten Untersuchungsschritten mit einer Therapie begonnen werden.

Als spezielle Untersuchungsmethoden schließen sich in besonderen Fällen eine Blasendruckmessung und eine Blasenspiegelung an. Blasendruckmessung (Urodynamik) ist die Untersuchung und Messung der funktionellen Abläufe im Harntrakt, sie ermöglicht eine genaue Beurteilung der Harnspeicherungs- und Harnentleerungsfunktion der Blase. Dazu wird ein kleiner Katheter in die Blase gelegt – in der Hand eines erfahrenen Untersuchers geschieht dies völlig schmerzfrei.

Die Therapie der Harndranginkontinenz besteht in erster Linie aus verhaltenstherapeutischen Maßnahmen (Blasen- oder Toilettentraining) sowie einer medikamentösen Therapie. Als speziellere Verfahren kommen die EMDA-Therapie, eine Elektrostimulation, die Injektion von Botulinum-Toxin in den Blasenmuskel, eine sakrale Neuromodulation und manchmal auch spezielle operative Eingriffe in Frage.

Ziel des Blasentrainings ist es, zu kurze oder zu lange Miktionsintervalle so zu verändern, dass es zu keinem Urinverlust mehr kommt. Ein Miktionsintervall kann verlängert werden, in dem der Beckenboden bei Harndrang so lange angespannt wird, bis dieser verschwunden ist. So wird es möglich, die Toilette entspannt zu einem etwas späteren Zeitpunkt aufzusuchen. Bei zu langen Miktionsintervallen wiederum ist es sinnvoll, die Blase regelmäßig nach der Uhr, beispielsweise  alle zwei bis drei Stunden, zu entleeren.
Ein Toilettentraining kommt bei Patienten in Frage, die zu keiner aktiven Mitarbeit mehr fähig sind. Durch regelmäßige Blasenentleerung kann das Auftreten starken Harndrangs verhindert und so weitgehend Kontinenz erreicht werden. Dieses Training eignet sich vor allem bei betagten Patienten, die dann regelmäßig zur Toilette geführt werden.

Als medikamentöse Therapie werden sog. Anticholinergika gegeben. Sie entkrampfen die Blasenmuskulatur und erhöhen somit die Blasenkapazität, so dass die Miktionsintervalle verlängert werden können.

Unter EMDA-Therapie versteht man eine elektrisch gesteuerte Medikamentenverabreichung. Dabei kann ein spezielles Medikamentengemisch, das mit einem Katheter in die Blase instilliert wird, in tiefere Gewebsschichten wandern und das chronische Harndrangsyndrom bessern. Die Wirkung hält zwischen sechs Wochen und drei bis vier Monaten an und muss dann wiederholt werden.

Auch eine regelmäßig durchgeführte Elektrostimulation, zum Beispiel mit einer kleinen Sonde in der Scheide oder im After kann eine Harndrangsymptomatik bessern.

Helfen alle genannten konservativen Therapien nicht, steht uns heute mit der Injektion von Botulinum-Toxin in die Blasenmuskulatur eine „Wunderwaffe“ zur Ruhigstellung der überaktiven Blase zur Verfügung. Diese Therapieform ist in Deutschland bei Patienten mit nicht-neurogener Blasenüberaktivität noch nicht zugelassen, die Behandlungserfolge sind jedoch exzellent und die Zulassung steht kurz bevor. Für die Behandlung der Blasenüberaktivität infolge von  MS oder traumatischer Querschnittlähmung ist Botox seit 2011 bereits zugelassen. Sehr selten kann es dabei zu einer kompletten Lähmung des Blasenmuskels kommen, so dass der oder die Patient/in den Einmalkatheterismus sicher beherrschen muss, um in diesem Fall die Blase entleeren zu können. Die Wirkung der Therapie hält zwischen drei und neun Monaten an und kann dann beliebig oft wiederholt werden.  

Für manche Patienten stellt die sakrale Neuromodulation (SNS) eine sinnvolle Alternative dar. Dazu werden im Kreuzbein kleine Elektroden operativ eingelegt. Sie stimulieren die Blasennerven, dadurch wird die Blase entspannt.

Falls die oben genannten Therapieformen alle versagen sollten und die Blase keine Speicherfähigkeit mehr hat, kommen spezielle operative Verfahren wie eine Vergrößerung der Blase durch Darmanteile oder eine Harnableitung in Frage. Sie müssen je nach den Bedürfnissen des Patienten individuell gewählt werden.

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